Buchvorstellungen 2015

Am 27.05.2015 haben wir in der Buchhandlung Storm sechs aktuelle Bücher israelischer Autorinnen und Autoren vorgestellt. Hier fassen wir nochmal kurz zusammen, warum es sich lohnt, diese zu lesen:

Samuel Joseph Agnon: In der Mitte ihres Lebens

Klappentext
Samuel Joseph Agnon, der von 1912 bis 1924 in Deutschland lebte, ist der Klassiker der modernen hebräischen Literatur, ein Autor von weltweiter Geltung und Wirkung, der 1966, zusammen mit Nelly Sachs, mit dem Literaturnobelpreis ausgezeich­net wurde. Sein Werk beschreibt die Hoffnungen und das Scheitern an der Grenze zwischen jüdischer Tradition und säkularer Moderne. Die Erzählung "In der Mitte ihres Lebens" schildert aus der Pers­pektive des Mädchens Tirza, das früh seine Mutter verlor, die gesellschaftlichen Zwänge und die Sehn­sucht nach geglückter Liebe. In einer bürgerlichen Welt, in der Bildung erwünscht, religiöse Tradition aufgegeben oder am Verblassen ist, wird der heranwachsenden jungen Frau zunehmend bewusst, dass sie sich trotz ihrer eigenen freien Lebensentscheidungen der ihr zugedachten Rolle nicht entziehen kann. Agnons Erzählung "In der Mitte ihres Lebens" ist unvermutet modern. "In der Mitte ihres Lebens" erscheint hier erstmals in deutscher Übersetzung und mit einem Kommentar zu Agnons assoziativer Sprache, die sich auf die gesamte jüdische Traditionsliteratur bezieht.

Roman
Aus dem Hebräischen von Gerold Necker
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783633542666
Gebunden, 123 Seiten, 19,95 EUR
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Empfehlung von Hermann Kuhn:
Agnon erzählt aus der Sicht einer jungen Frau; das hatte es zuvor nicht gegeben in der hebräischen Literatur. Sein Erzählstil ist gekennzeichnet durch äußerste Kürze und Schnörkellosigkeit, Sätze länger als zwei Zeilen werden Sie kaum finden. Die Sprache Agnons ist voll von Zitaten und Anspielungen auf biblische und andere traditionelle Texte.

Meir Shalev: Zwei Bärinnen

Klappentext
In einem Dorf im Norden Israels begehen im Jahr 1930 drei Bauern Selbstmord. So steht es in den Akten, aber alle im Dorf wissen, dass nur zwei der angeblichen Selbstmörder Hand an sich gelegt haben. Der dritte wurde ermordet. Siebzig Jahre sind seither vergangen. Ruta Tavori, Lehrerin am örtlichen Gymnasium, weiß, wer diesen Mord begangen hat, und will nun davon erzählen. Davon und von den Männern ihrer Familie: ihrem Großvater, ihrem Mann, ihrem Bruder und ihrem Sohn - den Männern, die sie liebt, denen sie zürnt, nach denen sie sich sehnt und denen sie zu verzeihen versucht. Eine Geschichte über Männerfreundschaften und die Liebe einer Frau, über Leidenschaft und Untreue, über Verlust, Rache und deren Sühne.

Roman
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Diogenes Verlag, Zürich 2014
ISBN 9783257069112
Gebunden, 416 Seiten, 22,90 EUR
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Empfehlung von Kai Seyffarth:
Wenn Israel mehr ist für Sie als biblische Geschichte und High-Tech Industrie, wenn Sie das Land um seiner selbst willen lieben, dann werden Sie Meir Shalev mögen. Er ist so alt wie der Staat Israel – aber er hat ein besseres Gedächtnis.

Amos Oz: Judas

Klappentext
Im Winter 1959/1960 beschließt Schmuel Asch, sein Studium in Jerusalem (Thema der geplanten Abschlussarbeit: Judas in der Perspektive der Juden) abzubrechen. Zum selben Zeitpunkt verlässt ihn seine Freundin, um einen früheren Freund zu heiraten. Dazu kommt, dass seine Eltern sich finanziell ruiniert haben und ihn nicht mehr unterstützen können. Daraufhin will Schmuel Israel verlassen. Er entscheidet sich anders, als er eine Anzeige liest, die ihm ein Auskommen in Jerusalem erlaubt, auch wenn er sich verpflichten muss, von seinem Aufenthalt niemandem zu berichten. Die Anzeige führt ihn ins Haus eines eigentümlichen alten Mannes namens Gerschom Wald. Nachts liest er ihm vor und unterhält sich mit ihm – über die Ideale des Zionismus, über die jüdisch-arabischen Konflikte, kurz: über Gott und die Welt. Und dort trifft er auf die geheimnisvolle Atalja Abrabanel, deren verstorbener Vater einer der Anführer der zionistischen Bewegung war. Sogleich ist Schmuel gefesselt von der Schönheit und Unnahbarkeit dieser Frau. Nach und nach gelingt es ihm, ihr Geheimnis zu enthüllen – und damit die menschliche Tragödie vor und nach der Gründung Israels im Jahr 1948. Amos Oz hat einen Liebesroman geschrieben und zugleich ein Buch über das Land und das geteilte Jerusalem – eine Geschichte seinen Landes mit seinen Hoffnungen und seiner Verzweiflung.

Roman
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Suhrkamp Verlag, erschienen am 7. März 2015
ISBN 978-3518424797
Gebunden, 335 Seiten, 22,95 EUR

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Empfehlung von Luise Scherf:
Klare, literarische Sprache, liest sich sehr gut; zwei Erzählstränge: die Beziehungen der Personen untereinander und der spannende Streit über das Pro und Contra der israelischen Staatsgründung.

Anat Talshir: Über uns die Nacht

Klappentext
Die Jüdin Lila begegnet dem arabischen Teehändler Elias zum ersten Mal am Vorabend der israelischen Staatsgründung in Jerusalem. Es ist der Beginn einer tie­fen Liebe, die geheim bleiben muss. Als Krieg ausbricht, wird die Stadt durch eine Mauer geteilt, die die beiden fortan unüberwindbar voneinander trennt. Neunzehn Jahre wird es dauern, bis es wieder Hoffnung für Lila und Elias gibt. Doch kann ihre Liebe den Hass der beiden verfeindeten Kulturen, die Jahre der Trennung und der Sehnsucht überstehen?

Roman
Aus dem Hebräischen von Stefanie Fahrner
Diana-Verlag 2014
ISBN 978-3-453-35777-8
Taschenbuch, 528 Seiten, 9,99 EUR
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Empfehlung von Jan Kranefeld:
Eher ein Historien- als ein Liebesroman, da der Liebe zwischen Lila und Elias keine allzu große inhaltliche Tiefe verliehen wird; in Fällen größerer Langeweile geeigneter Schmöker mit vielen Alltagsgeschichten und Bildern aus dem Israel zwischen Unabhängigkeits- und Jom-Kippur-Krieg.

Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Klappentext
Als Neurochirurg Etan Grien mitten in der Nacht einen illegalen Einwanderer überfährt und erkennt, dass der Mann sterben wird, trifft er eine folgenschwere Entscheidung: Er lässt den Mann liegen und meldet den Unfall nicht. Doch am nächsten Morgen steht die Frau des Opfers vor seiner Haustür und macht Etan einen ungewöhnlichen Vorschlag, der sein Leben komplett umkrempelt. Löwen wecken ist die Geschichte eines Mannes, der einen falschen Schritt tut und diesen Weg dann weiterverfolgen muss. Ein stürmischer Roman, der sich in der stark umkämpften Grauzone zwischen Liebe und Hass, Schuld und Vergebung, Gut und Böse bewegt, und der zeigt, wie zerbrechlich unser geordnetes Leben eigentlich ist.

Roman
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Kein & Aber Verlag, erschienen Februar 2015
ISBN 978-3036957142
Gebunden, 432 Seiten, 22,90 EUR
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Empfehlung Kirsten Kappert-Gonther:
Mich hat "Löwen wecken" von Ayelet Gundar-Goshen tief beeindruckt. Die israelische Autorin arbeitet als Psychologin in Tel Aviv und stellt in ihrem zweiten Roman Fragen nach Schuld und Machtmissbrauch. Sie fragt, ob Menschen eine schwere Schuld durch gute Taten sühnen und ob Menschenleben unterschiedlichen Wert haben können. Die Sprache ist dabei schnörkellos,eindrücklich und schön. Unbedingt lesen!

Lizzie Doron: Who the fuck is Kafka?

Klappentext
Hass ist ein Gefühl, aber Frieden ist eine Entscheidung
Zuerst: Ein Hotel in Rom. Eine israelisch-palästinensische Konferenz: Aber ist der Mann, der mit Lizzie auf dem Podium sitzt, nicht vielleicht doch ein arabischer Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürtel? Nein, Nadim pflegt nur seine Reiseunterlagen mit schwarzem Klebeband am Hosenbund zu befestigen, und dafür gibt es Gründe …

Dann: High Heels in Ost-Jerusalem? Ein Palästinenser im vornehmen Tel Aviver Apart­ment­gebäude? Von Anfang an ist es eine wechselvolle Freundschaft, die sich zwischen der israe­lischen Schriftstellerin Lizzie Doron und dem arabisch-palästinensischen Journalisten Nadim entwickelt, begleitet von Vorurteilen und Unverständnis. Es gibt Grenzen der Verstän­digung. Lizzie hat den Holocaust im Gepäck, Nadim die Nakba - die große Katastrophe -, wie die Pa­läs­tinenser die Folgen des 48er-Krieges nennen. Sie begreifen, dass sie dieselbe Irren­anstalt bewohnen, nur in verschiedenen geschlossenen Abteilungen. Nadims Frau aus Gaza aber hat keinen Ort, an dem sie bleiben kann …

Roman
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
dtv premium, Februar 2015
256 Seiten
ISBN 978-3-423-26047-3
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Empfehlung Widu Wittekindt:
Relativ leichte Lektüre eines „Romans“, der eher ein Tagebuch ist und aus dem man schnell lernt, wie groß die Unterschiede in den Denk- und Verhaltensmustern der Israelis und Palästinenser sind.